Fertigung Audi 100: Bilderreise Werk Ingolstadt Februar 1978

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roemerjung
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Fertigung Audi 100: Bilderreise Werk Ingolstadt Februar 1978

#1 Beitrag von roemerjung »

Servus,
Heute machen wir eine Bilderreise ins Werk und schauen uns die Produktion des C2 am Dienstag, den 21. Februar 1978 an. Die Bilder sind anlässlich eines Besuchs von Händlern aus Norwegen entstanden. Die damalige Harald A. Møller AS war größter Importeur von Audi & VW in Norwegen und pflegte offensichtlich stets guten Kontakt mit den deutschen Standorten.

https://moller.no/en/about/a-long-and-g ... he-factory

Neben vielen anderen Bildern, die die beinahe 80-jahrige Geschichte der heutigen Møller Group dokumentieren, geben die Bilder einen ziemlich einmaligen Einblick in das damalige Werk Ingolstadt, in dem neben dem Audi 80 und Iltis eben auch der Audi 100 produziert wurde dar. Hier finden wir alle Teilbereiche der Fertigung dokumentiert, nämlich Presswerk, Rohbau, Aggregate Fertigung und Endmontage. Da Audi-Produktionsbilder aus dieser Epoche eher selten sind, finde ich sie ganz besonders wertvoll!

Alle diese Bereiche wurden im Rahmen des "Tyskalndtrip“ (Deutschlandreise) photographisch festgehalten! Der Aufwand war damals schon verhältnismäßig groß: Fliegen war viel teuer als heute, und so ein Werksbesuch diente ihn davor allem zur Bindung ans Werk und Produkt. Ist eben nicht alles durch Skype kompensierbar ;-).

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Mit einer damals üblichen Boeing 707-300 geht es vermutlich von Oslo nach München-Riem. Airline könnte SAS sein.

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Von da aus ging es vermutlich weiter mit dem Bus ins Werk nach Ingolstadt. Draußen parken schon die neuen Avants der damaligen Führungskräfte.

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Besonders spannend finde ich die repräsentativen Räumlichkeiten. Holzgetäfelt, etwas dunkel und mit Glasfenstern die auch gut in einen Kirchenbau der 60er Jahre gepasst hätten. Corporate Architekturen ist noch weit weg von Audi. Kein Vergleich zu beispielsweise mit BMW 1972 mit seinem Neuen "Vierzylinder" und Ölbildern von Gerhard Richter im Foyer!

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Willkommen beim Mittleren Management. Ich glaube Sowas hieß früher Absatzförderung, vielleicht kommt die Führung aber auch von der Werksleitung. Kennt jemand die Herren? Und, Rauchen ist selbstverständlich erlaubt!

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Man beachte die schematische Darstellung des Werkes. Fokus war somit tatsächlich die Vermittlung reiner Fakten, das Produkt bzw. Marketing steht gar nicht im Mittelpunkt, wie man es heute machen würde. Vielleicht hat man das auch je nach Veranstaltung anders gemacht. Die Herren dürften auch fast noch alles altes Auto-Union Personal sein.

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Hier dachte ich eigentlich, dass schon der neue KKM 871 ausgestellt würde. Tatsächlich ist es ein Ro80-Aggregat, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahr ausgelaufen war. An der Wand eine Tafel mit Bernd Rosemeyer.

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Weiter geht es in einen Werkstattbereich mit Testflotte. Der Castellgelbe 5E hat ein WOB-Kennzeichen. Ich denke dass hier eng mit Testeinrichtungen wie Ehra-Lessin kooperiert wurde.

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Verschiedene Werkzeuge werden vorstellt.

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Hier z.B. das VW 1238-1 zum Entlüften des Bremssystems. Im Hintergrund schon zwei 5000er.

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Jetzt geht es in die Fertigung! Sieben Umformprozesse bzw. Bearbeitungen braucht ein Kotflügel also, bevor die Geometrie final ist. Jedes Presswerkzeuge ist anders und stellt erhebliche Investitionen dar.

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Schaut für mich aus wie die Montage des Vorderwagens / Wasserasten mit Punktschweißungen - alles noch ohne Automatisierung! Im Vordergrund liegen ein Stapel "Domstreben" von der Stirnwand unter der der Bremskraft Verstärker sitzt.

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Ein Audi 80 wird gleich eine kathodische Tauchlackierung "Elektrophorese" erhalten, vor ihm ist schon ein C2 im Becken. Es wurde im Forum schon öfter diskutiert ob dieses Verfahren damals schon angewendet wurde. Noch sieht man das hartgelötete Heckblech und angebrachten Leitungen zur Erzeugung der Gleichspannung.

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Es folgen verschiedene Lackiervorgänge, Grundierung, Trocknen, Einbrennen und Schleifen. Ich kann nicht alles genau identifizieren bzw. zuordnen.

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An der kleinen Öffnung an der Seitenwand lässt sich ein 5000er identifizieren. Ich weiß nicht genau, welcher Prozess hier vollzogen wird, Schleifen?

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Nahtabdichtung denke ich, Karosserie ist noch nicht lackiert, das Gestell ist aber schon Andorrablau.

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Hier noch mal der gesamte Lackierprozess im Überblick. 1,5km lange Lackierstrasse!

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So entsteht also eine Audi Lackierung! Handgemalte Info-Tafel, dazu ein schöner Kupfermetallic-farbender Demonstrator der die einzelnen Prozesse veranschaulicht. Man hat hier offensichtlich nur Anbauteile zur Demonstration farblich markiert.

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Die Decklackierung scheint manuell aufgetragen worden zu sein. Bei den damaligen Schwermetallen im Lack sicher kein einfacher Job. Und auch eine Holraumversiegelung soll es schon gegeben haben. Am Ende fragt man sich schon, warum der Korrosionsschutz letztlich so schlecht war – sieht doch alles sehr solide aus!

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Kleiner Einblick in die Aggregate-Fertigung. Hier sieht man aber nur kleine Vierzylinder.

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Die Fünfzylinder wurden damals nicht in Ingolstadt gefertigt, sondern aus Salzgitter von VW zugeliefert!

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Kennt jemand die Komponente? Motorlager?

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Am Montageband wird mit viel Handarbeit der Audi 100 komplettiert. Ausfällig ist, dass nur zwei Farben im Bild auftauchen, Andorrablau und das verbreitet Resedametallic. Ich denke, man hat immer größere Bundle gleichzeitig durch die Lackierstrasse gefahren. Würde gerne mal wissen wie wie damals die "EDV" gesteuert wurde. Sowas ist auch heute noch ein ganz heißes Eisen, grade ohne Lagerhaltung.

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Aus heutiger Sicht wirkt alle recht beengt und dunkel - eine Etage höher befindet sich offensichtlich noch eine Art Karossen Lager. Allerdings war das Werk damals noch recht aktuell. Mit Krediten des Landes Bayern 1958 errichtet, wanderte die Fertigung von DKW aus Düsseldorf nach Ingolstadt.

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Karosserie liegt offensichtlich direkt auf dem Band, es gibt keine Gehänge. Hab ich noch nie so gesehen.

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Wird hier der Fahrschemel mit Motor montiert? Ein doch recht aufwendiges Werkzeug!

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Montage ist abgeschlossen! Ein später LS, natürlich auch in Andorrablau muss die Dichtigkeitsprüfung über sich ergehen lassen. In zwei Monaten wird der 5S den alten Mitteldruck Motor verdrängen.

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Aus dem Trockner fährt ein nagelneuer 5000er in Kolibrimetallic. Mit dem beigen Interieur wirklich eine tolle Kombi! In unserer kollektiven Erinnerung kam der 5000er ja aus Neckarsulm, bis ca. 1980 kamen aber tatschlich alle aus dem Werk Ingolstadt. Weiß noch jemand, ob der C2 auch diesen typischen Neuwagen-Geruch hatte? Ist das mit heute vergleichbar?

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Letze Station, Scheinwerfer Einstellung. Stapeln sich hier die Headlight-bezels für den 5000er? Daneben eine hübsche flache Bier ;-) Prost!

Man hat sich seitens Audi doch sehr bemüht, einen vollständigen Überblick über die Fertigung zu ermöglichen. Lediglich Bereiche mit offensichtlichen Problemen in Bezug auf Arbeitssicherheit wurden ausgespart. Ich kenne keine vergleichsweise vollstände Dokumentation der Audi 100-Ferting wie diese, obwohl in den Archiven bestimmt noch einiges schlummert. Oder, ist mal wieder alles entsorgt worden, wie häufig bei Audi?

Ich denke die Bilder geben auch einen guten atmosphärischen Eindruck der damaligen Audi- aber auch Arbeitswelt wieder. Im Vergleich zu heute, mit bald 50 Jahren Abstand (!) wirkt alles eher einfach und bescheinen. Aber, irgendwo da auf dem Werksgelände laufen schon die ersten quattro-Prototypen, im Designstudio wird schon am aerodynamischen C3 gefeilt. In Neckarsulm tüftelt man schon am TDI. Fast alles wie wie Audi heute kennen, war damals bereits im Entstehen.

Später ging es für die Reisegruppe vor dem Rückflug nach Norwegen noch weiter nach München. Unter anderem ins Deutsche Museum, das habe ich ausgelassen, ebenso wie die Feucht-fröhliche Rahmenhandlung. Alle Bilder gibt es hier:

https://www.flickr.com/photos/mollerark ... 9872371815

Ich hoffe es hat echt gefallen :-)

LG RJ
Zuletzt geändert von roemerjung am 18 Jun 2021, 22:54, insgesamt 10-mal geändert.
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Re: Fertigung Audi 100: Bildereise Werk Ingolstadt Februar 1978

#2 Beitrag von Audi-Held »

Hallo

Das sind ja super Bilder.Sehr schön anzusehen.
Habe noch so eine NEUE Rohkarosserie in Weiß zu Hause :P

Grüße Jörg
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Re: Fertigung Audi 100: Bildereise Werk Ingolstadt Februar 1978

#3 Beitrag von 220v »

Moin!
Super Bericht :up: 8)
Danke dafür :D

Gruß Axel

Old Rusty
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Re: Fertigung Audi 100: Bildereise Werk Ingolstadt Februar 1978

#4 Beitrag von Old Rusty »

Hallo,

absolut seltene Zeitdokumente! Und auch gut fotografiert, ein klasse Einblick in die Prozesse. An zwei Stellen musste ich schon etwas Schmunzeln: "Öl-Bilder" bei BMW, das erinnert mich an die ständigen Ölfahnen beim ersten 3er im Schiebebetrieb, das passt wie die Faust aufs Auge! Und: Der sogenannte Mitteldruckmotor als OHV-Konstruktion fand sein Ende mit den letzten C1 für USA im Mai 77. Im C2 der WA war so gesehen kein Mitteldruckmotor mehr.

MfG Joerg
:?: Wenn Du es selbst instandgesetzt hast, weisst Du auch, wie lange es halten wird und warum es wieder kaputt gehen könnte :D

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Re: Fertigung Audi 100: Bildereise Werk Ingolstadt Februar 1978

#5 Beitrag von roemerjung »

"Öl-Bilder" bei BMW
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So sieht das aus, für 1973 war das schon ein ziemlich souverän Auftritt! Ist trotz der Sanierung um 2005 auch weitgehend gleich geblieben.

LG RJ
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Re: Fertigung Audi 100: Bilderreise Werk Ingolstadt Februar 1978

#6 Beitrag von roemerjung »

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Noch was gefunden: Ein Trip wohl schon 1976 mit interner Vorstellung des C2. Offensichtlich stehen hier die neuen Farben von Prof. Nestler im Vordergrund. Aufgrund der Diagramme im Hintergrund wird es wohl um die Wahrnehmbarkeit der Farbpalette gehen.

LG RJ
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Michael
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Re: Fertigung Audi 100: Bilderreise Werk Ingolstadt Februar 1978

#7 Beitrag von Michael »

Faszinierende Aufnahmen!

Die Dunkelheit in den Werkshallen war damals wie "unter Tage" - kein Vergleich zu heute. Sehr erstaunlich auch, wie nah die Besucher ans Material durften!

Mit aufwändigem Korrosionsschutz haben in den 70ern ja alle Hersteller schon geworben. Ich erinnere mich an Renault Prospekte mit derlei Schichtaufbau-Demobildern in ca. sieben Stufen entlang eines Kotflügels. Aber erst in den 80ern gelang es dann (fast) allen Herstellern, diese Beschichtung auch prozesssicher in alle Hohlräume zu bringen, selbst bei Renault oder Fiat - leider nur nicht bei Opel.

Danke für die Bilder!
Viele Grüße - Michael

"Im Auto wird nicht gegessen!" Mein Vater, ca. 1972

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Sofa
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Re: Fertigung Audi 100: Bilderreise Werk Ingolstadt Februar 1978

#8 Beitrag von Sofa »

Super Bilder, vielen Dank!
Beste Grüße

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