Ein Herz für (Simmer-)Ringe

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Moderatoren: Gunther, 5E-Thomas

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5E-Thomas
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Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#1 Beitrag von 5E-Thomas »

Begonnen hatte es vor zwei Jahren schon, als man mir bei der Hauptuntersuchung einen geringen Mangel unterjubelte, ohne ihn explizit zu erwähnen: Umweltbelastung, Getriebe ölfeucht. Das wollte ich im vergangenen Winter nun endlich angehen und ich wagte mich an das für mich noch unbekannte Thema Getriebeausbau. Eine Inaugenscheinnahme auf der heimischen Bühne hatte den Verdacht bestätigt, dass es irgendwo einen Ölverlust gab. Um das besser orten zu können, wollte ich das komplette Programm durchziehen. Dafür hatte ich auch extra und sehr günstig eine originale VAG-Motorstütze ergattern können, um den Motor etwas unter Spannung zu bringen.

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Die weiteren, ersten Schritte waren noch harmlos: Wischwasserbehälter entfernen, Tachowelle abschrauben, Kleinigkeit :-)

Lustiger wurde es schon beim Kupplungsnehmerzylinder. Der Haltedraht war kein Problem, doch sollte noch irgendwo ein Splint versteckt sein. Diesen konnte ich so partout nicht erkennen im eingebauten Zustand.

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Also beschloss ich kurzerhand, am anderen Ende weiterzumachen. Der Schlauch zum Nehmerzylinder durfte ruhig auch ersetzt werden, also schraubte ich diesen ab und beließ den Nehmerzylinder an seinem Platz. Später im ausgebauten Zustand des Getriebes sollte sich zeigen, dass der Sicherungssplint tatsächlich noch vorhanden war, er ließ sich dann ohne Mühe herausschlagen, ebenso der Nehmerzylinder selbst. Um das künftig zu vereinfachen, wurde er vor dem Wiedereinbau mit Kupferpaste bestrichen.

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Sodann hebelte ich das Schaltgestänge mit einem Stemmeisen von seinen beiden Kugelpfannen, ehe es im Untergrund weiterging: das Hosenrohr musste weichen.

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Zum Glück war dieses schon vor zwei Jahren einmal ausgebaut worden, als ich den Abgaskrümmer behandelte. Somit ließen sich diese Schrauben recht mühelos mit passendem Gelenk öffnen. Nach dem Entfernen des Anlassers, des Kabels für die Rückfahrleuchten und der Hitzeschutzbleche rechts wurden die oberen Schrauben zwischen Motor und Getriebe gelöst und die Antriebswellen am Getriebe abgeflanscht. Danach stützte ich sicherheitshalber das Getriebe hinten mit dem Wagenheber ab und löste die unteren Schrauben zwischen Motor und Getriebe. Im Anschluss waren die Schrauben der Getriebelager dran, ehe ich die Getriebehalter selbst entfernte.

Dann kam der spannendste Teil, das Getriebe herauszuheben. Sicherheitshalber hatte ein Freund seinen Motorkran mitgebracht und wir sicherten das Getriebe auf der Kurzhubbühne mit Ketten, ehe wir es langsam abdrückten und abließen. Beim nächsten Mal können wir uns diesen Aufwand sparen, so schwer wars zu zweit auch nicht :-) Nur halt etwas eng mit der kleinen Bühne, unter die leider kein Faulenzer passte.

Endlich war es also draußen und es konnte die Suche nach dem/den konkreten Leck/s beginnen. Bei genauem Betrachten des Getriebes stellte sich heraus, dass auf der rechten Seite das Differential rundherum sehr ölig war. Also wurden die Antriebseinheiten, die nur mit einem Sechskant verschraubt waren, gelöst und die dahinter befindlichen Simmerringe erneuert.

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Diese hätte man aber auch im eingebauten Zustand wechseln können. An der Eingangs- und der Schaltwelle sah es zwar noch trocken aus. Aber wenn man schon dabei ist, wurden auch diese Simmerringe getauscht. Ebenso nervte das knarzende Ausrücklager, welches samt Führungshülse in Rente geschickt wurde.

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Dann hatte sich das komplette Teil auch einma eine Reinigung verdient. Zunächst wurden mit WD40 die Ölrückstände eingeweicht, anschließend mit Bremensreiniger abgeduscht, ehe es eine wiederholte Behandlung mit Backofenspray gab. So kehrte wieder etwas Glanz in die Hütte.

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Schließlich ging es auch dem Hinterteil vom Motor an den Kragen. Nachdem jetzt schon einmal alles offen lag, wurde die Kupplung ausgebaut und dabei geprüft. Für ihre gut 90.000km hatte sie noch erstaunlich viel Fleisch und durfte bleiben. Nach dem Ausbau des Schwungrades waren wir angekommen: der getriebeseitige Kurbelwellensimmerring offenbarte sich (und etwas Ölverlust). Also gab es kein Pardon, er wurde ebenfalls erneuert. Eingepresst in die Einbauhilfe auch kein Problem, die dazugehörige Dichtung war ebenfalls noch erhältlich.

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Doch dabei passierte der entscheidende Fehler: wir übersahen den kleinen Beipackzettel zum Simmerring, ölten ihn brav ein ehe er an seinen Platz kam. Hätten wir vorher gewusst, dass er nur trocken verbaut werden darf, hätte ich mir einen zweiten Getriebeausbau erspart. Aber das mit dem wiederholten Getriebeausbau kam ja hier im Forum auch schon vor, wenn auch aus anderen Gründen...
Gelernt habe ich bei der Aktion dank unseres Meisters Dr. mech. Pfister folgendes: früher bestanden diese Kurbelwellensimmerringe aus dem Material Fluor-Kautschuk (kurz FPM). Dieses wird auch entsprechend der damaligen Reparaturanleitungen mit Öl versehen eingebaut.
Die neuen Simmerringe, zumindest die von Elring mit Montagehilfe, bestehen jedoch aus Polytetrafluorethylen (kurz PTFE) und müssen trocken eingebaut werden. Auch ist eine gewisse Standzeit von Nöten (in meinem Fall 4 Stunden), in denen die Kurbelwelle nicht bewegt werden darf. Hätte ich beides beachtet, wäre nix passiert. So gabs schon nach kurzer Zeit nach dem Winterschlaf das böse, ölige Erwachen.

Aber gut, aus Erfahrung wird man klug. Kurzerhand mit Ralf einen Termin gemacht und dann gleich das volle Simmerringprogramm durchgezogen. Unter der richtigen Hebebühne ließ es sich auch etwas angenehmer arbeiten und das Getriebe kam ruckzuck wieder raus. Der entsprechende Simmerring wurde nicht eingeölt auf der trockenen Kurbelwelle angebracht und eine Nacht in Ruhe gelassen. Danach war alles dicht.

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Doch wenn schon alles ein zweites Mal offengelegt wurde, ging es jetzt auch an der Vorderseite weiter. Die Ölwanne schwitzte, also runter damit. Danach wurde der Zahnriemen entspannt und der Schwingungsdämpfer vorn gelöst. Nach dem Abziehen lag die Ölpumpe samt Simmerring frei und wurde samt Saugrohr ausgebaut.

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Sie wurde mit neuem Dichtring versehen. Im Anschluss wurde auch gleich noch das Nockenwellenrad abgezogen. Huch, dahinter versteckte sich ja auch noch einer dieser Simmerringe :-) Diese konnten allesamt aber eingeölt verbaut werden und ohne Standzeit.

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Der Zusammenbau vollzog sich danach Schritt für Schritt in umgekehrter Reihenfolge. Nur bei den Drehmomenten waren der Meister und sein Lehrling nicht immer einer Meinung. Ich beharrte zu oft auf der Audibibel, der Meister ließ seine Oberarme spielen. Egal ob 80 Nm oder 350Nm, sowas hat man im Gefühl! Das macht eben den Unterschied :-)

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Insgesamt war es für mich eine sehr lehrreiche Thematik gewesen. Obwohl anfangs der Frust schon groß war, ein erneutes Ölleck entdecken zu müssen, kam der Spaß bei Teil 2 der Schrauberaktion definitiv nicht zu kurz. Vielen Dank für deine Mithilfe, Ralf!
Viele Grüße
Thomas

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audi-nsu-fanatic
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Re: Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#2 Beitrag von audi-nsu-fanatic »

Hallo Thomas,

toller Bericht! Und wieder etwas gelernt, ich wusste nicht, dass die aktuellen Wellendichtringe trocken verbaut werden müssen. Vielleicht sollte ich doch nochmal den Simmerring an der Kurbelwelle tauschen, wo doch das Getriebe zum zweiten Mal ausgebaut ist? Ich möchte hier ja keinen Rekord im Getriebeausbauen aufstellen ...

Gruss von Andreas
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Re: Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#3 Beitrag von 5E-Thomas »

Kann sicher nicht schaden, wenn die Kurbelwelle nicht übermäßig eingelaufen ist.
Ich habe den Elring 804.850 verwendet, dazu die Dichtung 026 103 181 B. Dieser Simmerring von Elring muss trocken eingesetzt werden.
Viele Grüße
Thomas

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Re: Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#4 Beitrag von audi-nsu-fanatic »

Hallo Thomas,

mir ist eingefallen, dass ich ja einen Simmerring von Victor Reinz verwendet habe. Dieser ist auch braun und nicht schwarz, also aus dem alten Material. Kann also bleiben.

Trotzdem bin ich dankbar, wenn hier solche Dinge gepostet werden, dann weiß man schon einmal Bescheid, dass man doch auf das Material achten muss.

Gruß von Andreas
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Re: Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#5 Beitrag von Hacki 200 »

Hallo Thomas,

sehr schöne Doku, klasse das Du alles so detailliert beschrieben hast.
Ja, das mit dem 2x Getriebeausbau kenn ich auch gut :roll:
So lange eben, bis man es kann... :lol:

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Re: Ein Herz für (Simmer-)Ringe

#6 Beitrag von Sofa »

Sehr gut, das Programm steht bei meinem 100er auch an …
Beste Grüße

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